Wohnungsbau entlang der Ausfallstraßen: Das Bezirksamt denkt in großen Schritten und Herr Rabe vergisst dabei schon wieder die Kinder

Wir nahmen am 4. September an der Veranstaltung „Boulevard oder Rennstrecke?“  im Altonaer Rathaus teil. Dort wurden die Ergebnisse der Untersuchung zum Wohnungsbaupotenzial an der Sülldorfer Landstraße/Osdorfer Landstraße (B 431) sowie der Luruper Hauptstraße/Luruper Chaussee vorgestellt. Anschließend wurde über die Ergebnisse und Pläne diskutiert. Anwohner, Interessierte und Betroffene kamen zu Wort. 

 

 

Das Bezirksamt Altona hatte zu dieser Veranstaltung eingeladen, und so erschien auch die Bezirksamtsleiterin Frau Dr. Melzer. Der Hamburger Oberbaudirektor Franz-Josef Höing und Karin Loosen, die Präsidentin der Hamburgischen Architektenkammer, bewerteten das Wohnungsbaupotenzial entlang der großen Ausfallstraßen (Magistralenstrategie) als grundsätzlich hoch. 

 

Ca. 100.000 Wohnungen könnten so in Hamburg entstehen, wenn diese Strategie umgesetzt wird. Jedoch sind die Orte an diesen verkehrsreichen Straßen in der Regel eher unattraktiv für das Wohnen. Beispielsweise belasten 40.000 KFZ pro Tag die Sülldorfer / Osdorfer Landstraße und sorgen dort für Lärm und Abgase. Wie schafft man es also, die Attraktivität dieser Orte zu erhöhen, damit die Menschen dort auch gerne leben wollen?

 

Das Bezirksamt hatte im Rahmen eines Bundesforschungsprogramms (ExWoSt-Programm) drei Modellquartiere ausgewählt, um dort die Umsetzung der Magistralenstrategie zu untersuchen und vorzubereiten. Thema dieser Veranstaltung war die Vorstellung des Planungsstandes für die Quartiere Luruper Hauptstraße/ Luruper Chaussee, Osdorfer Landstraße gegenüber der S-Bahn Iserbrook - sowie Sülldorfer Landstraße zwischen der S-Bahn Sülldorf und der S-Bahnbrücke Iserbrook.

 

Nach Aussagen der Forschungsgruppe soll es sich für die drei Bereiche um ein Potenzial von ca. 2.200 Wohneinheiten handeln. Mindestens 2/3 der Wohneinheiten sollen in Sülldorf / Iserbrook entstehen, was eine durchgehend 5-geschossige Bebauung mit sich ziehen würde. 

 

Im Anschluss an die einführenden Vorträge konnten sich die Besucher in Kleingruppen mit den Fachexperten über Fragen zum Lärm, Verkehr und zu Abgasen beraten. Interessierte informierten sich auch über weiterreichende Forschungsergebnisse. In einer dieser Gruppen wurde zum Beispiel näher auf den Vorteil von U-förmigen Gebäudegrundrissen eingegangen. Eine solche Bauweise könnte die Bewohner vom Straßenlärm abschirmen und ruhige Innenhöfe entstehen lassen.  

 

In der folgenden Plenumsdiskussion wurde dann erneut die geplante 5-geschossige Bauweise in Sülldorf (Erneuerung des Konservatoriums) als viel zu massiv kritisiert – auch, weil sie dem teilweise dörflichen Charakter des Stadtteils nicht entspricht. Es wurde intensiv über das ‚richtige‘ Maß der Verdichtung diskutiert. Außerdem wurden Forderungen nach ausreichender und transparenter Bürgerbeteiligung während des gesamten Prozesses laut. Frank Conrad, Leiter des Fachamtes Stadt- und Landschaftsplanung Altona, stellte klar, dass das Bezirksamt derzeit die Vorschläge aus der ersten Beteiligungsrunde in die Pläne einarbeitet. Dann würde das Amt Vorschläge zur Bebauung machen und die Bürger könnten dagegen Einwände erheben. Am Ende würde jedoch die Bezirkspolitik darüber entscheiden, was am Schluss tatsächlich realisiert wird. 

Den Anwohnern wurde deutlich, an wen sie sich zukünftig wenden müssen: an den Bauausschuss und die Bezirkspolitiker. Herr Conrad erklärte im Nachsatz, dass über die Höhe der Bebauung noch nicht entschieden wurde. 

 

VIN fragte kritisch nach der Entwicklung der sozialen Infrastruktur, denn diese wurde in den Modellprojekten überhaupt nicht berücksichtigt. VIN kritisierte, dass die vorgestellten Planungen nicht darstellen, welche Schulstandorte ausgebaut werden sollen und wie und wo das passieren soll. Der Umfang der geplanten Wohnungen hätte aber massive Auswirkungen auf die bestehenden Standorte. Die Schulen in Rissen, Sülldorf und Blankenese sind bereits jetzt alle voll - Kita’s ebenfalls. VIN mahnte an, nicht dieselben Fehler zu machen, die bereits heute in Altona-Mitte zu großen Problemen führen. 

 

Der Oberbaudirektor stimmte diesen Aussagen in Gänze zu. Er sagte, dass diese Überlegungen in der Vergangenheit und Gegenwart zu wenig berücksichtigt worden sind. Ähnliche Probleme gäbe es mittlerweile an vielen Stellen der Stadt. Er sagte zu, diese Fragen an die zuständigen Gesprächskreise weiterzuleiten.

 

Bezeichnenderweise waren allerdings keine Vertreter der Schulbehörde anwesend. 

 

Dabei fragen wir uns schon seit Längerem, ob Schulsenator Rabe (SPD) kein Interesse am Hamburger Westen oder an den Wählern im Hamburger Westen hat. Wie kann es sein, dass Wohnungsbau in diesen Dimensionen geplant wird – und dass die Schulbehörde sich nicht in der Pflicht sieht, Teil dieser Pläne zu sein? Im Bürgervertrag Rissen sind ebenfalls Vereinbarungen enthalten, die bisher in keiner Weise von der Schulbehörde aufgenommen worden sind. 

 

Wir sehen diese Entwicklung kritisch. Ursprünglich haben wir uns intensiv mit Fragen beschäftigt, die im Zusammenhang mit Wohnungsbauplänen und einer gelungenen Integration stehen. Schnell sind wir bei Fragen nach einem guten Zusammenleben, nach einer funktionierenden Nachbarschaft und Möglichkeiten der Begegnung angekommen. In letzter Zeit stellen wir immer wieder fest, dass die Stadt zwar ein großes Interesse am Wohnungsbau hat – gleichzeitig aber den Ausbau der Infrastruktur in wichtigen Bereichen vernachlässigt. 

 

Michael Neumaier: “Grundsätzlich sehe ich es positiv, dass die Stadt diese eher unattraktiven Orte untersucht und sich auch die Frage stellt: Wie lässt sich dort Wohnraum planen und gestalten? Auf die Gestaltung kommt es aber letztendlich an. Die Stadt muss mit den Menschen, die dort schon leben oder leben werden, gemeinsam über die Frage nachdenken, wie das richtige Maß der Nachverdichtung aussehen könnte. Kritisch sehe ist, dass schon wieder niemand an die schulische Infrastruktur gedacht hat. Dabei sagt der Oberbaudirektor es deutlich, dass dies parallel geschehen muss und nicht im Nachgang.“

 

Dabei geht es um vermeidbare Fehler, und wir brauchen Bürger, die sich engagieren und sich einbringen, wenn es um die Gestaltung ihres Stadtteils geht. 

 

„Die Bürger wissen, dass sie sich an die Bezirkspolitiker wenden sollen. Das ist ein wichtiger Punkt, denn Politik muss wieder mehr für die Bürger gemacht werden. Für Anwohner und Interessierte ist es wichtig, dass politische Entscheidungen nicht über sie hinweg gefällt werden und schon gar nicht gegen sie gerichtet sind. Ich selbst engagiere mich seit 3 Jahren in der Bürgerinitiative und mein Appell wäre: Bringt Euch konstruktiv ein, das ist unsere Stadt, und wer sich engagiert, kann sie mitgestalten.“ meint Christopher Deecke dazu.

 

Wir werden das Thema „gute Bildungsvoraussetzungen“ wieder verstärkt in den Fokus rücken, denn wer Wohnungen baut, der ist auch für die Infrastruktur und damit für ein gutes Zusammenleben der Menschen, die dort wohnen werden, verantwortlich. 

 

Die Stadt muss sich deshalb unverzüglich um die Planung der Schulplätze kümmern.